Ja, ok, ein wirklich sehr sperriger Titel, sorry!
Aber nun zum Inhalt: Wir haben über knapp ein Jahr Wochenend-Workshops in einer Justizvollzugsanstalt für Frauen angeboten, bei denen wir als Grundlage Breakdance und HipHop nahmen, um darüber mit den Teilnehmenden ins Gespräch über Menschenrechte, Haltungen, Werte und Demokratie zu kommen.
Später haben wir das Programm erweitert und die Teilnehmenden haben eigene Rap-Texte geschrieben und aufgenommen. Darüber hinaus sind Clips entstanden.
Das Projekt hat Haltungen hinterfragt und Muster aufgebrochen. Besonders spannend wurde die Verarbeitung eigener Vergangenheit in den Texten, aber auch die Entwicklung neuer Hobbys, die insbesondere nach der Haft Sicherheit geben können.
Nein.
Wer Fehler macht, erhält, wenn er oder sie erwischt wird, Konsequenzen. Die Konsequenzen in diesem Fall waren Freiheitsentzug. Keine Folter, oder andere Unmenschlichkeiten. In der Zeit des Freiheitsentzuges kann es auch nicht allein darum gehen zu warten, sondern bestenfalls eine Idee zu entwickeln, wie das Leben nach der Haft besser verlaufen kann.
Anzunehmen, dass wir als Gesellschaft jemanden ändern könnten ist quatsch. Was wir maximal machen können, ist Wege und Ideen aufzuzeigen und Interessen zu wecken, die anders sind. Ob eine Person dies annimmt, entscheidet diese für sich, auch hier, können wir maximal begleiten.
Der Grund, warum wir dieses Projekt durchgeführt haben, ist genau dieser: Wir wollten den Teilnehmerinnen etwas anbieten, was sie für sich als Hobby annehmen können, oder auch nicht. Was daraus geworden ist, ist deutlich mehr und hat zudem auch teilweise unüberwindbare Hürden.
Was gemeinsames Tanzen bringt, sind Konflikte, Gemeinschaftsgefühle, Enttäuschungen, Spaß, Frustration, und vieles mehr. Eine gemeinsame Choreografie über Monate zu entwickeln ist schwer und bedarf viel Durchhaltevermögen, von allen. Doch am Ende kann man viel mitnehmen, wenn das Ergebnis stimmt.
So ein Projekt ist keine Bestrafung, aber halt auch kein Zuckerschlecken. Gruppendynamiken, Überzeugungen und Werte zu hinterfragen, selbst an Grenzen zu kommen und neue Umgangsformen damit zu erlernen macht nicht nur Spaß, zeigt aber, dass man mehr kann, als dass, was man kennt.
Deradikalisierung, als die Idee, dass Menschen von radikalen Ansichten und Positionen Abstand halten, kann nicht erzwungen und verabreicht werden. Deradikalisierung passiert über Reflexion und Erfahrungen. Wenn bspw. Frauen in einer JVA nie Männer in ihrem Leben kennengelernt haben, die ihre Macht nicht ausgenutzt hatten und in so einem Projekt das erste Mal die Erfahrung machen, dass ein Mann sich nicht über sie stellt, kann das zu Irritationen führen, die Ansichten in Frage stellen.
Wenn unterschiedliche Ansichten und politische Haltungen zusammenkommen und diskutiert werden, man darüber hinaus aufeinander angewiesen ist, da nur zusammen eine Choreografie funktioniert, bringt das Spannungen, die gemeinsam überwunden werden müssen.
Die Fragen, wann und welche Gewalt legitimiert ist, wer über wen zu Bestimmen hat und welche Regeln und Grenzen gelten sollen, lassen sich nicht einfach festlegen, sondern brauchen ständigen demokratischen Diskurs.
Eigene Grenzen, Werte und Einstellungen gleichwertig anzusehen mit die der anderen ist schwer, wenn man sich sein lebenslang mit Ellenbogen durchschlagen musste, doch kann dazu führen, dass man Gemeinschaft erzeugt und erlebt. Gemeinschaft die schützt liebt und Sicherheit gibt, aber auch Gemeinschaft, in der man verletzlich ist.
Deradikalisierung durch Beziehung, vielleicht so. Wer es schafft, mit Menschen in Beziehung zu gehen, die weit weg von eigenen Positionen und Ansichten sind, der begibt sich auf den Weg der Toleranz. Wer mit diesen Menschen gemeinsame Projekte durchführt, der*die toleriert nicht nur, sondern die Person akzeptiert.
Radikalisierung passiert, wenn andere Ansichten immer weniger zählen und ausgeblendet werden, Deradikalisierung weitet den Blick. Somit ist jedes Projekt, was Menschen die sich als unterschiedlich definieren, ein Projekt der Deradikalisierung, ein Projekt der Menschlichkeit.